Außergewöhnliche Dächer sind keine Erfindung der Neuzeit. Seit Jahrhunderten übertreffen sich Bauplaner und Ingenieure mit kreativen Entwürfen und gigantischen Konstruktionen. Einige berühmte Dächer scheinen die Gesetze der Physik auszuhebeln und loten die Grenzen des technisch Machbaren neu aus. Beispiele gefällig?
1. Opernhaus in Sydney: Die berühmtesten „weißen Segel“ am Hafen
Das Opernhaus in Sydney ist seit fast 50 Jahren ein Highlight der Hafen-Skyline. Bei der markanten Dachkonstruktion ließ sich der dänische Architekt Jørn Utzon von der Natur inspirieren. Palmenwedel und Orangenschalen sollen als Vorbild für die „weißen Segel“ gedient haben.
Das Ausmaß der Dachkonstruktion stellte die Ingenieure vor eine wahre Herausforderung. Die Haupt- und Seitenmuscheln setzen sich jeweils aus zwei identischen Schalen zusammen, die sich an zwei Bodenpunkten berühren und an einer Achse spiegeln. Diese besondere Konstruktion verleiht der Dachlandschaft zugleich Stabilität, sodass auf zusätzliche Pfeiler und tragende Säulen verzichtet werden konnte. Die einzelnen Dachelemente bestehen aus vorgefertigten Betonrippen, die mit gut 10 Meter langen und 2,25 Meter breiten Fliesen bekleidet sind.
2. Stephansdom in Wien: Kunstvolles Gewand mit praktischem Nutzen
Mit rund 230.000 bunt glasierten Dachziegeln ist der Stephansdom in Wien von umliegenden Weinbergen schon aus der Ferne zu erkennen (siehe Titelbild). In zehn Farben und auffälligen Mustern schmücken die Ziegel das 110 Meter lange und 37,85 Meter hohe Dach des sakralen Bauwerks. Jeder dieser Ziegel wiegt 2,5 Kilogramm, ist mit zwei Kupfernägeln an die Dachsparren genagelt und zusätzlich in Mörtel gebettet. Darunter hält eine gut 600 Tonnen schwere Stahlkonstruktion den Dachstuhl zusammen.
Besonders markant ist das Zickzack-Muster auf dem Dach des gotischen Langhauses. Dass die Dachschräge an den steilsten Stellen einen Winkel von 80 Grad aufweist, hat einen praktischen Grund: Durch die große Abfließgeschwindigkeit des Regenwassers reinigt sich das Dach quasi selbst. Auch Schnee rutscht einfach ab, sodass die Farbenpracht des berühmten Daches auch im Winter zu sehen ist.
3. Marina Bay Sands in Singapur: Abkühlung mit einmaliger Aussicht
An Exklusivität und Superlativen kaum zu übertreffen ist das Dach des Resorts Marina Bay Sands in Singapur, das erst in 2010 eröffnete. Bemerkenswert ist das Hotelgebäude vor allem wegen seines einzigartigen Dachgartens, des sogenannten SkyPark. In schwindelerregender Höhe von 191 Metern verbindet die gigantische Dachterrasse drei Hoteltürme am Ende ihrer 55 Stockwerke. Sie bietet Platz für 3.900 Menschen. Wie ein Surfbrett schießt die 340 Meter lange, öffentlich zugängliche Auslegerplattform über den Nordturm hinaus.
Oben angekommen, erwartet die Besucher nicht nur ein atemberaubender Blick über die Megacity, sondern auch eine einzigartige Abkühlung. Ein wesentlicher Teil der 1,2 Hektar großen Fläche besteht aus einem 146 Meter langen Infinity Pool, der sich über alle drei Türme erstreckt. 1.424 Kubikmeter Wasser, also 1,424 Millionen Liter, muss die Dachkonstruktion für den höchsten Hotel-Pool der Welt tragen.
4. Petersdom in Rom: Eine Jahrhundert-Baustelle der ewigen Stadt
Mitten in Rom erhebt sich der Petersdom mit seiner imposanten Kuppel über die Dächer der ewigen Stadt. Der Bau des sakralen Kunstwerkes war ein Jahrhundertprojekt, das 1506 begonnen wurde. Eine Übersicht der beteiligten Baumeister liest sich wie das „Who is Who“ der italienischen Renaissance- bis Barockzeit. Immer wieder änderten neue Architekten den Plan. So konnte die 112 Meter hohe Hauptkuppel von Michelangelo erst 1590 vollendet werden.
Die Last der mit Ziegel verkleideten Kuppel über der Basilika verteilt sich auf die darunterliegenden Vierungspfeiler. Mit einem Durchmesser von 42,34 Metern und einer Gesamthöhe von 133,30 Metern ist die Kuppel bis heute eines der größten freitragenden Bauwerke.
5. Kubushäuser in Rotterdam: Die etwas anderen „Baumhäuser“
Aus Würfeln zusammengesetzt und um 45 Grad auf die Seite gekippt, zählen die gelben Kubushäuser (Kubuswoningen) in Rotterdam zu den kultigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Entworfen wurden sie in den späten 1970er Jahren von dem holländischen Architekten Piet Blom. Er ließ sich bei der abstrakten Konstruktion von Wäldern inspirieren und betrachtete die vertikalen Kuben als Stamm, während die dreieckigen Dächer Baumspitzen darstellen.
Gestützt von Betonpfeilern mit Holzverschalung bietet ein pyramidenförmiger Raum im obersten Stockwerk Ausblick in alle Himmelsrichtungen. Von dem Wohnambiente unter diesen berühmten Dächern von Rotterdam können Sie sich im eigens eingerichteten Kubus-Haus-Museum einen Eindruck verschaffen.
6. Basilius-Kathedrale in Moskau: 9 berühmte Dächer auf dem Roten Platz
Gleich neun bunte Kuppeln machen die Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz zu einem der bekanntesten Wahrzeichen Moskaus. Das Bauwerk besteht im Prinzip aus neun Kirchen, von denen keine in Aussehen und Farbe der anderen gleicht. In ihrer Mitte ragt der höchste Turm mit 115 Metern hervor. Dessen goldene Spitze krönt das Hauptgebäude, das als Viereck konzipiert ist.
Die Kathedrale selbst besteht aus einfachen roten Backsteinen und ist im Gegensatz zu anderen russischen Kirchen von außen nicht bemalt. Die acht anderen Kirchentürme kamen erst später hinzu und waren anfangs ebenfalls nur mit Blattgold beschichtet. Im 17. Jahrhundert bekamen die Kuppeln im Zuge zahlreicher Restaurierungen ihre heutige Farbgebung.
7. Kathedrale von Florenz: Architektonisches Meisterwerk eines Bildhauers
Ein technisches Meisterwerk und architektonischer Höhepunkt der Renaissance ist die Santa Maria del Fiore, besser bekannt als Kathedrale von Florenz. Die gewaltige Kuppel auf dem Dom ist das Hauptwerk von Filippo Brunelleschi (1377 bis 1446), der eigentlich kein Architekt war, sondern Bildhauer. Neben Statuen entwickelte er auch einen innovativen Entwurf für die Dachkonstruktion.
Mit einem eigens entwickelten Aufzug wurden rund vier Millionen Ziegel, Mörtel und andere Baustoffe in bis zu 107 Meter Höhe befördert. 16 Jahre dauerten die Bauarbeiten allein an der Kuppel (1418 bis 1434). Die rote Kuppel der Kathedrale war bei ihrer Fertigstellung mit einem Durchmesser von 45 Metern die größte der Welt und wurde schnell zum Symbol von Florenz.
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