Dach und Fassade dieses Hauses gehören eigentlich in die Weinflasche. Sie sind ein Produkt der portugiesischen Flaschenkorkindustrie. Ein Abfallprodukt, um genauer zu sein. Bei der Herstellung der Korken entsteht nebenbei ein Granulat, das sich mithilfe von Druck und Wärme zu Platten für die Fassadenverkleidung verarbeiten lässt. Diese Korkplatten eignen sich hervorragend für den Hausbau, auch auf dem Dach.
Korkhaus: Naturfassade und -dach, nachhaltig und recycelbar
Bislang kennt man Kork eher als Schall- und Schwingungsdämpfer, doch das Bauwesen verwendet ihn zunehmend für Fassaden. Kork ist ein guter Dämmstoff und hat eine ausgezeichnete Ökobilanz. Er passt sich jedweden klimatischen Bedingungen an, ist recycelbar und benötigt keine fremden Bindemittel oder andere chemische Stoffe. Ein echter Nachhaltigkeits-Champion, der vollständig nachwächst: Die Korkeichen in Portugals Wäldern bilden eine Rinde, die sich alle sieben bis zehn Jahre ohne Schaden für den Baum abschälen lässt.
Der Kork macht Regen leise
Für Andreas Reeg und Marc Dufour-Feronce vom Architekturbüro Rundzwei war der Naturstoff die ideale Wahl. Sie kamen auf das unübliche Baumaterial, weil sich die Bauherrin ein besonders schallminderndes Haus wünschte. Die Korkplatten absorbieren sogar das Geräusch prasselnden Regens. Doch für ein Haus aus Kork spricht noch mehr.
Gute Dämmwerte und Energie aus Solarpanelen
Das Wohnhaus in Berlin-Staaken wurde in Holzbauweise errichtet und im Sommer 2018 vollendet. Die Korkfassade und das Korkdach sind Wärmedämmung und Sichtoberfläche zugleich, weshalb der Bau hervorragende Dämmwerte aufweist. Dadurch ist das Gebäude so gut wie autark, was die Energieversorgung betrifft: Durch den speziellen Schichtenaufbau geht wenig Wärme verloren und die Solarpanels, die in das Dach integriert sind, gewinnen ausreichend Energie.
Sicher vor Wetter, Schimmel – und Hitze im Weltall
Aber ist die Außenhaut wirklich gegen Wind und Wetter geschützt? Ja, die im Korkgranulat enthaltenen Harze machen sie resistent gegen Verwitterung und Schimmel. Sie treten bei der Druck- und Wärmebehandlung aus und verkleben das Rohmaterial fest und sicher, allein durch die Eigen-Bindekraft der Korkzellen.
Seine spezielle Beschaffenheit macht Kork zu einem leichten, belastbaren, form-, fäulnis- und witterungsbeständigen Material. Zudem widersteht Kork sehr hohen Temperaturen. Deshalb verwendet ihn sogar die Raumfahrt als Dämmstoff und Hitzeschild, der „dabei selbst Temperaturen über 1000 Grad Celsius trotzt“, so der Deutsche Kork-Verband.
Haus aus Kork – oder auch „Korkenzieherhaus“
Andreas Reeg und Marc Dufour-Feronce, die Architekten, sprechen übrigens von ihrem „Korkenzieherhaus“. Denn die Aufgabe war für sie nicht nur wegen des Materials eine besondere: Das Baurecht erlaubte lediglich ein Vollgeschoss. Darum entschlossen sich die beiden Planer für ein geschicktes Spiel in der Vertikalen.
Im Boden versenkt und nach oben geschraubt
Sie senkten das Sockelgeschoss, in dem sich Wohnbereich, Küche und Schlafzimmer befinden, in den Boden ab, unter die Geländeoberkante. Damit gilt es als Keller, nicht als Vollgeschoss. Die Flächen darüber staffelten sie in Teilgeschosse (sogenannte Split-Level-Bauweise): Die Räume schrauben sich um eine atriumartige Wendeltreppe herum nach oben – als würden sie den spiralförmigen Windungen eines Korkenziehers folgen.
Im Inneren des Hauses ist der Materialeinsatz nicht weniger intelligent als an Fassade und Dach. Viel Holz und luftdurchlässige Gipsfaserwände sorgen im Zusammenwirken mit dem Kork für eine Regulierung des Raumklimas. Das Haus benötigt daher keine Lüftungsanlage.
Natur, Tradition und modernes Design
Das Fundament des Ganzen, der Gebäudesockel, besteht aus Stampfbeton, einem jahrhundertealten Baustoff, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verwendet wurde, bevor er von Stahlbeton verdrängt wurde. Auch die Wände des hauseigenen Pools im Sockel sind aus Stampfbeton. Das Haus aus Kork glänzt nicht nur durch seine natürliche Dach- und Fassadenverkleidung, sondern vereint auch noch eine traditionelle Bauweise mit modernem Design.